Posts filed under ‘2013’
Kalif Storch in Osnabrück
Im Sommer nahmen wir an einer Führung durch das Osnabrücker Theater teil. Interessante Einblicke in die Arbeit hinter den Kulissen waren das, in die Maskenbildnerei, die Näherei mit herrlichen Entwürfen und Kostümen. Ein grüner Mantel, aufwändig gearbeitet, begeisterte mich. Er war für das Weihnachsstück „Kalif Storch“. Erinnern Sie isch an das Märchen von Wilhem Hauff mit seinem Zauberwort „Mutabor“? Wenn nicht, lesen Sie es hier noch einmal.
Jetzt haben wir dieses Stück gesehen, inmmitten von begeisterten Kindern, die in ihrer Faszination mucksmäuschenstill waren. Auch wir Erwachsenen waren hingerissen von der Inszenierung. Kein Kitsch fürs kindliche Gemüt, sondern ein Bühnenbild, das in seiner schlichten Raffinesse ein ästhetischer Genuss war. Die Kostüme prächtig und funktional mit ihren verborgenen Storchen-Elementen.
Der Erzähler Selim wurde zu einer Erzählerin Selima, speziell komponierte und live gespielte Musik von Ismail Türker schuf einen Klangteppich, auf dem die Phantasie davonreisen konnte. Hier können Sie Details der Aufführung auf der Website des Theaters Osnabrück sehen. Sie können dort auch online noch Karten bestellen.
Und wenn Sie nicht ins Theater wollen oder können, erfreuen Sie doch Ihr kindliches Gemüt mit dem Höspiel auf youtube
Kennedys Tod im Tagebuch einer Dreizehnjährigen- 50 Jahre Tagebuchschreiben
Anlässlich meines „Tagebuch-Jubiläums“ stöbere ich jetzt häufiger in meinen alten Schätzchen. Der Tod Kennedys, der heute 50 Jahre her ist, findet sich auf vielen, vielen Seiten. Wenn ich sie heute lese, bin ich gerührt bis erschüttert, nachdenklich und beeindruckt. Gerührt, wie ich mir als knapp Dreizehnjährige Gedanken um die „arme Jackie“ mache, die erst im Sommer vorher eine Fehlgeburt hatte. Erschüttert, weil die Mechanismen der Heldenverehrung in diesen Einträgen so deutlich werden. Beim Lesen heute dachte ich: Genauso funktionierte das in den dreißiger Jahren mit der Heldenverehrung für den Führer. Eine ferne Lichtgestalt, von der man nur das öffentliche Bild kennt, eignet sich wunderbar für jugendlichen Eifer. Natürlich findet sich auch das „Ich bin ein Berliner“ in meinem Tagebuch. Und ich vermute mal, dass angesichts der alten Herren, die wir damals in der deutschen Politik hatten, ein gutaussehender Amerikaner sich herrlich für eine Starrolle eignete. Fehlte eigentlich nur der Bravo-Schnitt fürs Jugendzimmer. Von all den dunklen Hintergründen, Kennedys Krankheiten und Frauengeschichten wussten wir nichts. Nur die Kuba-Krise, die machte uns Angst.
Nachdenklich macht mich, wie ernsthaft ich schon damals über den Tod nachdachte, und damit war ich keine Ausnahme. Wir waren sehr ernsthaft katholisch, im Religionsunterricht, in der katholischen Jugendgruppe, und die Auseinandersetzung mit dem Tod gehörte dazu. Ist das eigentlich heute bei Dreizehnjährigen Thema?
Beeindruckt war ich, dass man sich mit 13 Gedanken über die Weltpolitik machen kann, immerhin registriere ich inmitten meiner Trauer, dass es Lyndon B.Johnson gab und dass die Demokraten Robert Kennedy aufstellen wollten. (Sein Tod findet sich 5 Jahre später in aller Ausführlichkeit auch in meinem Tagebuch).
Tja, und meine Angewohnheit, zu manchen Ereignissen Zeitungsausschnitte aufzubewahren, die fing schon damals an. Vielleicht ist es überlegenswert, nicht alles digital aufzubewahren …
Wenn Sie Lust haben, lesen Sie den Herzschmerz einer Dreizehnjährigen, der damals durchaus ernst war! (Die weiteren Seiten erspare ich Ihnen …)
50 Jahre Tagebuch – Das Wunder von Lengede aus der Sicht einer Dreizehnjährigen
In diesem Jahr ist es 50 Jahre her, seit ich mit dem Tagebuchschreiben begann. Auch wenn viele Menschen mit dem Tagebuch nur Herzschmerz und Seelengeschwafel verbinden – in einem Mädchentagebuch finden sich durchaus Geschehnisse wieder, die die Welt bewegten. So am 7. November 1963, als in Lengede nach zwei Wochen mehrere verschüttete Männer aus einer zusammengestürzten Grube gerettet wurden. Die Rettungsaktion wurde damals vom NDR übertragen, meines Wissen die erste Live-Übertragung im deutschen Fernsehen.
Ich erinnere mich gut an die Stunden vor dem Fernseher im engen mit Kohleofen geheizten Wohnzimmer, das Bangen, die Freude über die Rettung der Männer, die wir ja gar nicht kannten. Die vielen Toten gerieten darüber etwas in Vergessenheit …
Hier sehen Sie, was ich als Dreizehnjährige damals aufschrieb und zeichnete:
Hier können Sie den erwähnten Film des NDR aus dem Jahre 1963 sehen
Hier ein Interview mit einem der Geretteten, Adolf, Herbst, 50 Jahre später
Was mich besonders berührte, war die Tatsache, dass Zufälle und Hindernisse erst zur Bohrung an der richtigen Stelle führten. Das habe ich später bei der Recherche für mein Buch „Das kann doch kein Zufall sein“ oft beobachten können: Oft führen erst Umwege oder Verzögerungen zum „richtigen“ Ergebnis.
An die, die nicht gerettet wurden, und an ihre Familien denke ich heute besonders.
Erinnerungen für Demenzkranke
Die meisten Menschen kennen in ihrer Umgebung jemanden, der demenzkrank ist. Sie wissen, wie schwierig die Kommunikation wird, wie löchrig das Gedächtnis wird, zumindest das Kurzzeitgedächtnis. Das Langzeitgedächtnis scheint noch eine Weile länger zu funktionieren, und genau dort setzt das Konzept an, über frühe Erinnerungen den Kontakt zu Demenzkranken aufzubauen. Gerade ist eine Buchreihe erschienen, die ein alter Schulfreund von mir initiiert hat (Bernd Robben) und deren Entstehen ich mitverfolgen durfte.: „Ja, so war das damals“. Vier Bände umfasst die Reihe, und jedes Buch besteht aus 15 Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen bekannte Situationen und Motive aus dem Alltag der 1930er bis 1960er Jahre abgebildet sind. Theo Mönch-Tegeder und die Dom-Medien Osnabrück brachten die Bücher heraus, und der Landkreis Emsland unterstützte das Projekt und stellte vielen Einrichtungen die Bücher zur Verfügung.
(Quelle: Dom-Medien Osnabrück. Danke für die Erlaubnis!)
In der Neuen Osnabrücker Zeitung und auf den Seiten des Landkreises Emsland finden Sie Berichte über die Vorstellung des Projekts.
Viele Demenzkranke werden ja zu Hause versorgt, und vielleicht kennen Sie jemanden, dem diese Bücher bei der Betreuung eine Hilfe sein könnten.
Auf der Internet-Seite der Dom-Medien erfahren Sie mehr Details. Die Bücher können im Buchhandel oder per Email bei der Dombuchhandlung Osnabrück bestellt werden.
Die Buchmesse, die Tageszeitung und die Pseudo-Promis
Liebe Neue Osnabrücker Zeitung,
Warum schickt Ihr die kompetente Elke Schröder zur Buchmesse, die wirklich gute Artikel schreibt und titelt dann die heutige Ausgabe so, dass alle Autoren Grund haben, beleidigt zu sein: Zwei Drittel B.Becker und Christiane F. ein Drittel Leon de Winter als Titelbild. Und dazu der unsägliche Text:
„In diesem Jahr erscheinen viele Promi-Autobiografien. Unter anderem präsentieren Ex-Tennis-Profi Boris Becker(oben) und Christiana Felscherinow, bekannt durch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, ihre Lebensgeschichten. Doch auch „echte“ Literaten wie Leon de Winter (unten links) sind in Frankfurt.“
Toll, bei der Buchmesse gibt es auch echte Literaten, wer hätte das gedacht. Allerdings nur in Gänsefüßchen, so echt sind anscheinend in den Augen der NOZ dann doch nicht. Pseudo-Promis sind wohl echter. Und auch im Feuilleton geht´s dann heute weniger um echte Literaten auf der Buchmesse als um Pseudo-Promis. Marcel R-R (Gott-hab-ihn-selig) und Herr Lüddemann (höchst lebendig) müssten da doch toben.
(… und ehe Fragen kommen: ja, der Fleck ist von meinem Frühstücksbrötchen)
Lebenslanges Lernen
Dass man von Tieren viel lernen kann, ist ja nicht Neues. Heute aber hat unser Hund mich doch verblüfft.
Klinik im Kloster in Barth – eine verrückte Ausstellung
Vor einigen Wochen sahen wir in Barth an der Ostsee eine hinreißende Ausstellung. Wenn Sie meinen, Sie hätten in der Kunst schon alles Wesentliche gesehen, sollten Sie wenigstens diese eine Ausstellung noch auf Ihren Plan setzen. Textilkunst soll das sein? Naja, Frauenkram mit Nadeln. Environment soll das sein? Viel zu naturalistisch. Szenerien in mehreren Räumen? Sicher viel gebastelt.
Werfen Sie Ihre Vorurteile über Bord und wagen Sie den Eintritt in eine völlig verrückte Welt. Das Vineta Museum Barth präsentiert im Adligen Fräuleinstift die Ausstellung von Stefanie Alraune Siebert, die in 32 Jahren eine unglaubliche Fülle an Lebenswelten und Figuren aus Stoff gestaltet hat. Kaufen Sie an der Kasse den Katalog, damit Sie in dieser verrückten Umgebung wenigstens ein bisschen verstehen.
Im Wartezimmer begrüßt Sie eine merkwürdige Patientenschar.
Unser aller Angie leidet unter Angina.
Ein Mensch, der für meine Augen wie Leonhard Cohen aussieht, hält sich für den alten Fritz, und Miss Marple hat Herzprobleme. Bei Fräulein Fitz ist unerklärlicherweise ein Bart gewachsen.
Auf der anderen Seite ist noch Platz für neue Patienten.
Damit sie sich nicht langweilen, ist dort eine Fühltafel aufgebaut, damit der Drang, alles anzufassen, in kontrollierbare Bahnen gelenkt wird. Stellen Sie sich vor, 20000 Klinikbesucher würden ihre Spuren überall hinterlassen!
Auf dem Streifzug durch die Klinik sehen wir den Chefarzt Prof. Dr. Müller-Krombach, der sich mit Schwester Loretta Affenbichler vergnügt. Die Gattin wartet schon mit dem Messer hinter dem Vorhang. Da wird Miss Marple noch viel zu tun bekommen!
In einer Abteilung werden Dackelhaare transplantiert oder Botox-Spritzen verpasst. Auch kann man das Atelier von Alraune bestaunen, in dem alles aus allerfeinsten Stoffen ist, selbst die Nähmaschine.
Im Speisesaal fühlt man sich in Thomas Mann´s Zauberberg versetzt. Hier speisen die Patienten, die nicht bettlägerig sind, und das Klinikpersonal.
Der Zuschauer kommt aus dem Staunen nicht heraus über das opulente Buffet, an dem jede Auster eine Perle enthält, die Begleitmusik an Piano und Akkordeon und über die Sėance , bei der sogar ins Jenseits telefoniert werden kann.
Unglaublich, was Stefanie Alraune Siebert geschaffen hat. Ein Lebenswerk mit der Nadel, in feinsten Details und in einer Ausdruckskraft, die nicht nur über ihr perfektes Handwerk Auskunft gibt. Jede einzelne Figur hat einen eigenen Charakter, selbst die Fische auf dem Buffet. Und der skurrile bis makabre Humor, mit dem sie ihre Szenerien entwickelt, zeugt von tiefer Kenntnis menschlicher Schwächen, Eitelkeiten und Verrückheiten. Ich konnte mich nicht satt-sehen. Als Frau, die selbst nähbegeistert ist und sich schon viel mit Textilkunst befasst hat, habe ich großen Respekt vor der Leistung dieser Künstlerin.
Sie können die Ausstellung noch bis zum 31. Oktober 2013 sehen. Details hier.
Und wenn Sie es in Barth nicht mehr schaffen: Stefanie Alraune Siebert hat in Haigerloch bei Tübingen seit neuestem ein eigenes Museum. Hier lesen Sie mehr darüber
Die Website der Künstlerin mit allen aktuellen Informationen finden Sie hier.
Danke für die Genehmigung, die Fotos hier in meinem Blog zu zeigen!
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.